Prävention und Gesundheitsförderung – Schwerpunkt: ArbeitsweltAnforderungen an Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt

Wie kann Arbeit gesundheitsförderlich gestaltet werden? Über Chancen und Herausforderungen aus Sicht von Arbeitgebern und Mitarbeitenden sprechen Expertinnen und Experten des Präventionsforums 2023 „Anforderungen an Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt von morgen“.

Wie Prävention und Gesundheitsförderung dazu beitragen können, die Arbeitswelt menschengerecht, barrierefrei und klimasensibel zu gestalten, erläutern Dr. Stefanie Bühn, Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG); Prof. Dr. Monika Eigenstetter, Hochschule Niederrhein; Dr. Janice Hegewald, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und Prof. Dr. Reinhard Burtscher, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB).

Wie kann eine wirksame und nachhaltige Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt erreicht werden? Die Rolle der Arbeitgeber:

Dr. Stefanie Bühn, Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit: Arbeitsgeberinnen und Arbeitgeber stehen vor großen Herausforderungen: neben ihrem Tagesgeschäft sollen sie sich an die aktuellen und zukünftigen klimawandelbedingten Gesundheitsrisiken anpassen (Adaptation), Klimaneutralität und Umweltfreundlichkeit vorantreiben (Mitigation) und – wo möglich – die gesellschaftliche Transformation sozial gerecht mitgestalten. Zur Identifikation und Umsetzung guter Lösungs- und Gestaltungsmöglichkeiten im Klimawandel ist die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure für Arbeits- und Gesundheitsschutz wichtig. Kurz- und mittelfristig können Anreize und Hilfestellungen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) unterstützen wie eine Sammlung guter Praxisbeispiele zu wirksam umgesetzten Klimaschutz und -anpassungen.

Dringender Handlungsbedarf besteht aktuell beim Thema Hitzeschutz: hier müssen Schutzkonzepte insbesondere für vulnerable Beschäftigtengruppen in allen Branchen, aber vor allem dort, wo draußen gearbeitet wird, wirksam umgesetzt werden. Eine klimasensible Führungskultur und Organisationsentwicklung können langfristig zu resilienteren Unternehmen und gesünderen Beschäftigten führen, denn viele Klimaschutzmaßnahmen haben positive Effekte für die Gesundheit, auch Mehrgewinne oder Co-Benefits genannt. So können zum Beispiel Fehlzeiten reduziert werden. Die Verbindung von Nachhaltigkeit und klimasensibler Gesundheitsförderung kann weitere Vorteile haben: beispielsweise können Kennzahlen zur Gesundheitsberichterstattung aus dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) in die Nachhaltigkeitsberichterstattung einfließen.

Damit gesundheitsförderliches und klimaschützendes Verhalten möglich ist, müssen innerbetrieblich die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden wie zum Beispiel durch gesunde und nachhaltige Ernährungs- und Fortbewegungsangebote. Eine auch von Führungskräften aktiv gelebte Präventionskultur, die die Krisen unserer Zeit adäquat adressiert, kann in Zeiten des Fachkräftemangels die Arbeitgeberattraktivität steigern.

Prof. Dr. Monika Eigenstetter, Hochschule Niederrhein: Zunehmende Wichtigkeit erhält im Arbeitskontext das Thema der „Psychischen Belastungen und Beanspruchungen“. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, in Gefährdungsanalysen psychische Gefährdungen zu integrieren, gleichwertig zu Gefährdungen durch physikalische Einwirkungen, Chemikalien, schwere Lasten oder ähnliches. Bei psychischen Gefährdungen müssen Mitarbeitende einbezogen werden, da nur sie beurteilen können, ob beispielsweise eine Arbeit in der vorgegebenen Zeit stressfrei zu bewältigen ist, oder welche Belastungen durch Kunden und vorhandene Arbeitsprozesse auftreten.

Für einen ersten Einblick in das Vorgehen einer psychischen Gefährdungsanalyse bietet sich der Erklärfilm der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie, Arbeitsprogramm Psyche, an. Der Aufbau eines betrieblichen Gesundheitsmanagements ist auf jeden Fall sinnvoll. Am Beispiel der Digitalisierung wird schnell klar, wie wichtig Analysen und darauf basierende Arbeitsgestaltungsmaßnahmen sind. Manchmal bringt eine Technologie zwar Erleichterungen in den Arbeitsprozess, gleichzeitig vermindern sich möglicherweise Handlungsspielraum und wünschenswerte Flexibilität. Daher ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden bei der Auswahl und Einführung der Technologien immer beteiligt werden. Ein weiteres aktuelles Thema ist mobile Arbeit, die man genauer betrachten sollte, denn sie bringt Gefährdungen durch Entgrenzung der Arbeit.

Dr. Janice Hegewald, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Um eine wirksame und nachhaltige Prävention und Gesundheitsförderung zu erreichen, müssen sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für eine betriebliche Gesundheitskultur einsetzen. Anzustreben sind verhältnisorientierte Maßnahmen, die für gesunde betriebliche Rahmenbedingungen sorgen und auf der Organisationsebene ansetzen. Solche Maßnahmen sollen gemeinsam mit den Betriebsärztinnen und -ärzten, den Akteuren des betrieblichen Gesundheitsmanagements und vor allem partizipativ mit den Beschäftigten geplant und umgesetzt werden.

Eine menschengerechte Gestaltung der beruflichen Anforderung und gesundheitsförderliche Organisation der Arbeit sorgen dafür, dass gesundheitsgefährdende Bedingungen minimiert werden. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, die mit der Arbeit verbundenen Gefährdung der Beschäftigten im Rahmen der Gefährdungsermittlung zu beurteilen und die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen.

Liegen beispielsweise Gefährdungen durch körperliche Tätigkeiten wie das Heben und Tragen schwerer Lasten vor, werden diese Gefährdungen oft mit den Leitmerkmalmethoden (LMM) ermittelt und beurteilt. Daraus ergeben sich wertvolle Anhaltspunkte für Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und Präventionsmaßnahmen, um arbeitsbedingte Muskel-Skelett-Erkrankungen zu vermeiden. Dazu gehört unter anderem auch das Angebot der betriebsärztlichen Beratung der Beschäftigten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Zusätzlich können niedrigschwellige Angebote, wie ein gesundes Essensangebot am Arbeitsplatz, sich positiv auf die Gesundheit aller Beschäftigten auswirken.

So kann eine verhaltensorientierte betriebliche Gesundheitsförderung, die auf das Gesundheitsverhalten von Individuen abzielt, Gesundheitskompetenzen vermitteln oder auf die Gesundheitsbedürfnisse einzelner Gruppen eingehen. Leider erreicht sie nicht immer diejenigen, die am meisten davon profitieren könnten – daher ist eine regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen ist wichtig, um die Ziele zu reflektieren und die Maßnahmen anzupassen.

Prof. Dr. Reinhard Burtscher, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin: In Zeiten von Fachkräftemangel sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verstärkt daran interessiert sein, dass ihre Beschäftigten gesund sind und bleiben. Wie gelingt gesundes Arbeiten? Zunächst müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Maßnahmen ermöglichen und fest in die Unternehmenskultur verankert werden können.

Die Arbeitswelt ist von Barrieren durchzogen: bauliche Barrieren, kommunikative Barrieren, digitale Barrieren, soziale Barrieren und so weiter. Diese Barrieren abzubauen, ist ein Teil einer wirksamen und nachhaltigen Gesundheitsförderung. Bauliche Hindernisse zu identifizieren und anzupassen, erscheint einfach. Aber wenn es um Einstellungen und Haltungen als soziale Barrieren in Unternehmen geht, dann sind Informations- und Aufklärungsworkshops nur ein erster Schritt hin zu einer gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur.

Verschiedenheiten ernst zu nehmen und darüber respektvoll zu sprechen, ist wichtig. Deshalb betrifft inklusives Arbeiten nicht nur behinderte Menschen, sondern adressiert darüber hinaus Personengruppen wie beispielsweise ältere Beschäftigte, Frauen und Männer mit Vereinbarkeitsproblemen oder Menschen mit Sprachschwierigkeiten aufgrund ihrer Herkunft. Letztlich begünstigt das Eingehen auf unterschiedliche Bedarfe die Motivation und Leistungsbereitschaft bei den Beschäftigten. Gleichzeitig können Fehlzeiten oder eine Mitarbeiterfluktuation verringert werden.


Wie kann eine wirksame und nachhaltige Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt erreicht werden? – Die Rolle der Mitarbeitenden:

Dr. Stefanie Bühn, Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in ihrem Arbeitsumfeld klimabedingten Gesundheitsgefahren teilweise länger und stärker ausgesetzt als die übrige Bevölkerung, da einige Tätigkeiten trotz der Klimaveränderungen beispielsweise auch bei Extremwetterlagen geleistet werden müssen. Besonders gefährdet sind Menschen, die körperlich anstrengende Arbeit und/oder Arbeit im Freien verrichten und dort vor allem jene, die weitere Vulnerabilitäten wie eine chronische Erkrankung mitbringen.

Studien zeigen, dass besonders betroffene Gruppen die reale Gefährdung, die beispielsweise mit extremer Hitze einhergeht, unterschätzen. Sie brauchen zielgruppenspezifische Informationen über die Zusammenhänge von Klimawandel und Gesundheit und zu kontextspezifischen Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung. Gute Klimagesundheitskommunikation am Arbeitsplatz kann die Akzeptanz von Maßnahmen für Klimaschutz und -anpassung, im Sinne einer gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung, fördern. Auch Instrumente wie Betriebsvereinbarungen oder Unterweisungen können Klarheit und Sicherheit im Umgang mit Klimawandelrisiken bieten.

Gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen sollten mit den Beschäftigten partizipatorisch erarbeitet werden, denn sie können mit Zielkonflikten einhergehen: So kann beispielsweise die Verschiebung der Arbeitszeiten bei Hitze zu einer schlechteren Vereinbarkeit von Beruf und Familie führen. Neben dem Wissen, welche Co-Benefits sich durch klimafreundliches Verhalten für die Gesundheit ergeben können, geht es auch darum, die geeigneten Anreize und betrieblichen Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz aktiv anzuregen, wie eine klimafreundliche, pflanzenbasierte Gemeinschaftsverpflegung oder die Förderung der Nutzung eines Jobrads. Viele Arbeitnehmende sind bereits motiviert – durch die arbeitgeberseitige Förderung von klimaschützendem Engagement können sie sich als selbstwirksam und handlungskompetent erleben, was wiederum ihre mentale Gesundheit und Resilienz fördern kann.

Prof. Dr. Monika Eigenstetter, Hochschule Niederrhein: Bei den Gefährdungsbeurteilungen der psychischen Belastungen sollten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aktiv mitgestalten. Wichtig ist, dass die Maßnahmen gemeinsam entwickelt, damit sie implementiert werden. Aber auch für die eigene Resilienz kann viel getan werden: Dazu zählen gesundes Essen mit viel Gemüse, ausreichend Schlaf, Sport und Entspannungsübungen. All das unterstützt die Regeneration von Körper und Psyche, denn ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper!

Kleine Auszeiten sind im Alltag möglich, selbst wenn es nur 10-minütige Atemübungen sind. Gesundes Essen kann man sich an den Arbeitsplatz mitbringen. Und man kann öfter mal das Auto stehen lassen und das Fahrrad nehmen: das bringt körperliche Bewegung. Und natürlich kann auch „Digital Detox“ für den einen oder die andere erleichternd wirken.

Dr. Janice Hegewald, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Bei der gesundheitsförderlichen Gestaltung der Arbeit und der Entwicklung von Präventionsprogrammen werden Nachhaltigkeit und Wirksamkeit am ehesten erzielt, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aktiv beteiligt werden und sind. Die Bedürfnisse und Präferenzen der Beschäftigten sollten so weit wie möglich berücksichtigt werden. Ohne die Akzeptanz der Beschäftigten werden nachhaltige Veränderungen nicht erreicht oder nicht adäquat umgesetzt. Die Beschäftigten sollten daher befähigt und ermutigt werden, ihre gesundheitlichen Bedürfnisse gegenüber dem Unternehmen zu kommunizieren.

Die effektive Gestaltung einer betrieblichen Gesundheitskultur erfordert darüber hinaus eine grundlegende Gesundheitskompetenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre Bereitschaft, diese weiterzuentwickeln. So sind Beschäftigte besser in der Lage zu erkennen, wie sich die eigene Arbeit – positiv oder negativ – auf die eigene Gesundheit auswirkt. Gesundheitskompetenz und ein Grundwissen über die gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Gesundheit bei der Arbeit sind notwendige Fähigkeiten, um die betriebliche Gesundheitskultur auch von der Basis her aufzubauen – sie sind für die Sicherheit im Betrieb unabdingbar.

Prof. Dr. Reinhard Burtscher, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin: Inklusive Arbeit wird wesentlich von äußeren Faktoren beeinflusst. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind dafür verantwortlich, dass passende Rahmenbedingungen und Strukturen im Betrieb vorhanden sind. Man spricht hier von Verhältnisprävention, die Gesundheit fördert und absichert. Eine gesunde Arbeitswelt zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen wohl fühlen können. Auf das Individuum bezogen, geht es um ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten.

Wirksame und nachhaltige Gesundheitsförderung zielt deshalb auch auf Verhaltensprävention. Jeder und jede Mitarbeiterin und Mitarbeiter kann selbst Verantwortung übernehmen, um eine gesunde Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Diese Eigenverantwortung beginnt bei der Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse und endet bei der Aufmerksamkeit für Kolleginnen und Kollegen. Zu den häufig genannten Belastungen zählen beispielsweise eine hohe Arbeitsverdichtung, Optimierungsdruck, Informationsflut, digitaler Stress oder Anforderungen an Erreichbarkeit und Flexibilität.

Wenn eine gesundheitliche Gefährdung droht, dann ist eine Überlastungsanzeige bei der Arbeitgeberin oder beim Arbeitgeber sinnvoll. Diese Meldung ist gesetzlich nicht festgelegt, kann jedoch helfen, Gegenmaßnahmen anzuregen. Letztlich ist aber die Rolle als eigenverantwortliche Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer nur wechselseitig mit der Verantwortung der Unternehmensleitung für die Mitarbeitenden zu betrachten.


Die Fragen stellte Ulrike Meyer-Funke, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG).

Lesen Sie dazu auch:

BVPG-Interview mit Prof. Dr. Mathilde Niehaus, Professur für Arbeit und berufliche Rehabilitation an der Universität zu Köln und Keynote Speakerin des Präventionsforums 2023: „Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt: mehr Forschung und Partizipation!”

BVPG-Interview mit Dr. Elke Ahlers, Leiterin des Referats „Qualität der Arbeit” der Hans-Böckler-Stiftung und Referentin auf dem Präventionsforum 2023: „Betriebliche Gesundheitsförderung muss auch bei den Ursachen für Belastungen ansetzen.”

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Dr. Stefanie Bühn | Gesundheitswissenschaftlerin; seit 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) im Handlungsfeld Planetary Health in der Arbeitswelt. Aktuelle Projekte: „Klima wandelt Arbeit“ im BMAS-Programm Arbeit: Sicher und Gesund (ASUG), in dem gemeinsam mit Akteur:innen der Arbeitswelt Lösungsansätze für ein sicheres, gesundes und menschengerechtes Arbeiten im Klimawandel entwickelt werden sollen. Gemeinsam mit Maike Voss, geschäftsführende Direktorin des Centre for Planetary Health Policy (CPHP), hat sie 2023 ein Gutachten „Klimawandel und Gesundheit – Auswirkungen auf die Arbeitswelt“ erstellt.

Prof. Dr. Monika Eigenstetter | Seit 2009 an der Hochschule Niederrhein als Professorin tätig, seit 2019 für Arbeitspsychologie und CSR Management am Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik. 2007 promovierte sie mit einem Thema zum verantwortungsvollen Entscheiden und Handeln an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo sie seit 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin war. Arbeitsschwerpunkte: Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Human Resources sowie Unternehmensethik und soziale Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility). 2013 gründete sie mit zwei Kollegen das EthNa Kompetenzzentrum CSR, das Fragestellungen der Unternehmensethik und der Nachhaltigkeit vorrangig in der textilen Kette bearbeitet. Seit 2016 leitet sie das Forschungsinstitut A.U.G.E. (Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Gesundheitsförderung und Ethik).

Dr. Janice Hegewald | Epidemiologin; Leiterin der Fachgruppe 3.1 „Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Co-Sprecherin des Arbeitskreises „Epidemiologie in der Arbeitswelt“ der Fachgesellschaften DGAUM, DGEpi, DGSMP und GMDS. Arbeitsschwerpunkte: Arbeitsepidemiologie Forschung zur Ätiologie und Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen und kardiometabolischen Erkrankungen.

Prof. Dr. Reinhard Burtscher | Seit 2003 Professor für Heilpädagogik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB); Vizepräsident für Forschung, Transfer und Weiterbildung; Mitglied im Institut für Soziale Gesundheit. Arbeitsschwerpunkte: Inklusives Arbeiten und berufliche Integration; Betriebliche Gesundheitsförderung; Gesundheitsbildung von Menschen mit Lernschwierigkeiten, Teilhabeforschung.

Prävention und Gesundheitsförderung im Alter„Für eine gelingende Prävention brauchen wir eine Kultur des Alterns”

Prof. Dr. Eva-Marie Kessler, Professorin für Gerontopsychologie an der MSB Medical School Berlin und Referentin auf der BVPG-Statuskonferenz zum Thema „Psychische Gesundheit in der dritten Lebensphase“, spricht darüber, wie gesundes Altern gelingen kann.

Eine Voraussetzung für gesundes Altern ist, sich auf die (Entwicklungs-)Potenziale im Alter zu fokussieren. Welche Faktoren tragen zur Resilienz bis ins hohe Alter bei? Welchen Einfluss hat ein positives subjektives Alternserleben?

Es besteht kein Zweifel, dass wir, wenn wir älter werden, mehr Verlusterfahrungen machen: körperliche Erkrankungen nehmen zu, kognitive Ressourcen nehmen ab, unsere sozialen Netzwerke werden kleiner, die Lebenszeit als eine ganz wichtige Ressource läuft immer mehr aus. Wenn man aber Menschen im Alter fragt, wie zufrieden sie mit Ihrem Leben sind oder auch wie häufig sie positive Gefühle erleben, dann zeigt die Mehrheit ein genau so hohes oder sogar höheres Wohlbefinden wie bzw. als jüngere Menschen.

Wir sprechen in der Gerontopsychologie deshalb vom „Paradox des subjektiven Wohlbefindens“. Das Wohlbefindensparadox spiegelt sich übrigens auch in der Tatsache wider, dass die Prävalenz von Major Depression, also klinisch relevanter Depression, im Alter nicht – wie häufig vermutet – zunimmt, sondern genauso häufig auftritt wie in früheren Lebensphasen.

Ein wesentlicher Grund für diese bemerkenswerte Resilienz im höheren Lebensalter ist, dass es zu einer Verschiebung von Prioritäten kommt: Wenn wir älter werden, wenden wir unsere Aufmerksamkeit tendenziell mehr hin zu positiven und sinnstiftenden Dingen und versuchen, negativen Erfahrungen und Gefühlen aus dem Weg zu gehen beziehungsweise uns nicht davon zu stark einnehmen zu lassen. Wir nehmen bewusst und unbewusst wahr, dass unsere Lebenszeit abläuft. Dadurch ist uns unser Wohlbefinden im Augenblick und in der Gegenwart wichtig. In der Gerontopsychologie nennen wir das auch den „Positivitäts-Effekt im Alter“.


Etwa 20 Prozent älterer Menschen erfüllen die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Welche Ansätze zur Gesundheitsförderung und Prävention gibt es für diese Gruppe?

Trotz bemerkenswert hoher psychologischer Ressourcen im Alter stoßen wir vor allem an psychische Grenzen, wenn hirnorganische Abbauprozesse oder andere altersassoziierte organische Abbauprozesse ins Spiel kommen, die unsere kognitiven Fähigkeiten, aber auch beispielsweise unsere Fähigkeit, Gefühle zu regulieren, stark beeinflussen. Hier kommt mit anderen Worten die Tatsache ins Spiel, dass – wie dies der renommierte Entwicklungspsychologe und Gerontologe Paul Baltes formuliert hat – die Biologie keine Freundin des Alters ist. In diesem Sinne steigt über die zweite Lebenshälfte hinweg das Risiko extrem deutlich, an Demenz zu erkranken: von nur 1 Prozent bei den 65 bis 69-Jährigen, auf über 12 Prozent bei den 80 bis 84-Jährigen. Und bei den 90-Jährigen sind es schon über 40 Prozent.

Ein Lancet Report aus dem Jahr 2020 benennt auf der Grundlage einer umfassenden Studienübersicht insbesondere folgende Public Health-Strategien, um die Neuerkrankungsrate von Demenz weiter zu senken: bessere Bildung, stärkere Verbreitung von Hörgeräten, die Förderung sozialer Teilhabe im Alter und die Verbesserung der Herzkreislaufgesundheit durch bessere medizinische Versorgung und Förderung körperlicher Aktivität.

Insgesamt ist Gesundheitsförderung und Prävention psychischer Erkrankungen im Alter ein Bereich, in dem – auch in Abhängigkeit des Erkrankungsbildes – vielfältige Wege eingeschlagen werden müssen. Eine bereichsübergreifende Strategie ist dabei sicherlich die, dass wir als Gesellschaft für und gemeinsam mit älteren Menschen im höheren Lebensalter sinnstiftende soziale Rollen und Betätigungsfelder identifizieren und ausbauen müssen, in denen sie selbst aktiv in sozialen Netzwerken sind, Verpflichtungen und Aufgaben übernehmen und für andere da sind. Ein gelungenes Beispiel hierfür sind Programme zur Förderung ehrenamtlichen Engagements im Alter.


Wie steht es um die Versorgungslage älterer und multimorbider Menschen mit psychischen Erkrankungen? Welche psychotherapeutischen Ansätze sind in ihrer Wirksamkeit belegt und werden angewandt?

Insgesamt haben wir es mit einer enorm schlechten Versorgungslage im Alter zu tun. Ich will das einmal am Beispiel der Depression festmachen: Nicht einmal 5 Prozent der 65-Jährigen mit Diagnose Depression werden psychotherapeutisch behandelt, bei den über 75-Jährigen mit Diagnose Depression sind es dann sogar unter 1 Prozent. Und das, obwohl es Behandlungsmethoden für psychische Erkrankungen im Alter gibt, die auch klar evidenz- und leitlinienbasiert sind.

Dazu gehört die sog. Lebensrückblicktherapie bei Depression oder auch Posttraumatischer Belastungsstörung. Bei dieser Einzel- oder auch Gruppentherapie gehen die Patientinnen und Patienten mit Unterstützung des Therapierenden die Lebensgeschichte durch. Die Patientinnen und Patienten werden angeregt, das starre Bild, dass sie gescheitert sind und Dinge falsch gemacht haben, nach und nach aufzulösen. Dadurch entwickelt sich Selbstakzeptanz in Bezug auf ihr gelebtes Leben und auch ein neues positiveres Selbstbild, womit die Gegenwart besser bewältigt werden kann und sie auch optimistischer in die Zukunft blicken können.

Bei der kognitiven Stimulationstherapie bei Demenz geht es darum, im Gruppensetting auf eine lustvolle und spielerische Art persönliche Meinungen der Patientinnen und Patienten mit leichter und mittelgradiger Demenz zu stimulieren, sie ihre persönlichen Präferenzen spüren zu lassen und nebenbei mit allen Sinnen Dinge zu lernen. Dadurch werden kognitive Ressourcen stimuliert, die Patientinnen und Patienten sprechen wieder mehr und können ihre Gefühle besser regulieren.

Beide Therapieformen sind trotz Leitlinienempfehlungen der Fachgesellschaften nicht Teil der Regelversorgung in Deutschland – das muss sich dringend ändern!


Zur Förderung psychischen Alterns halten Sie eine Überwindung der kulturell tief verankerten Auffassung notwendig, wonach das Leben im Alter weniger wertvoll ist. Wie kann dies gesamtgesellschaftlich gelingen?

Das fängt damit an, dass wir generationenübergreifend eine Kultur des gemeinsamen Sprechens, des gemeinsamen Austausches über das Alter und Altern entwickeln, über unsere positiven Erwartungen und Hoffnungen, aber auch Ängste, Befürchtungen. Wenn dieser Austausch zu Zukunftsfragen angestoßen wird, löst er Ängste und macht neugierig und verdeutlicht jedem, dass Altern nicht Verlust ist, nicht Abbau. Sondern dass Altern Leben und Entwicklung ist, mit all seinen Herausforderungen und all seinen Potenzialen.

Zu einer Kultur des Alterns gehört auch, dass alte und sehr alte Menschen selbstverständlicher Teil des öffentlichen Diskurses sind. Wir haben in unserem Projekt IM/AGE-19: Altersdarstellungen in deutschen Medien während der Corona-Pandemie herausgefunden, dass hochaltrige Menschen, vor allem Frauen, in Politik-Talkshows im letzten Jahr quasi nicht vorkamen, vor allem nicht in denen zur Corona-Pandemie. Gleichzeitig wurde sehr viel über sie als vulnerable Gruppe gesprochen. Ihre Perspektiven, Erfahrungen und Handlungsempfehlungen wurden nicht gehört. Hätte man dies getan, hätte man damit den Wert des hohen Lebensalters demonstriert. Und womöglich wären wir besser durch die Krise gekommen.


Die Fragen stellte Linda Arzberger, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.

Lesen Sie dazu auch:

Interview zum Thema „Gesundes Altern“ mit dem Psychologen und Gerontologen Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg, Vorsitzender der Altersberichtskommission der Bundesregierung sowie Mitglied des Deutschen Ethikrates.

Weitere Informationen zur BVPG-Statuskonferenz „Psychische Gesundheit in der dritten Lebensphase“ finden Sie hier.

Mehr zu Prävention und Gesundheitsförderung in den Lebenswelten erfahren Sie hier.

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Prof. Dr. Eva-Marie Kessler | Seit 2015 Professorin für Gerontopsychologie an der MSB Medical School Berlin. Psychologische Psychotherapeutin und Leiterin des Spezialbereichs „Psychotherapie im Alter“ an der MSB Hochschulambulanz. 2014 Habilitation an der Universität Heidelberg, ausgezeichnet mit dem Margret-und-Paul-Baltes-Preis der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie. 2006 Promotion an der Jacobs University Bremen.

Prävention und Gesundheitsförderung im Alter„Gesundheitsförderung und Prävention sind in allen Lebensphasen von größter Bedeutung“

Der Psychologe und Gerontologe Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg und Vorsitzender der Altersberichtskommission der Bundesregierung sowie Mitglied des Deutschen Ethikrates, über die Voraussetzungen für ein gesundes Altern.

Der demografische Wandel in Deutschland längst angekommen: Jede zweite Person ist hierzulande älter als 45 und jede fünfte älter als 66 Jahre. Die Vereinten Nationen haben das aktuelle Jahrzehnt als „Dekade des gesunden Alterns“ benannt – gemeinsam mit der WHO, der Weltbank und weiteren Organisationen werden Maßnahmen zur Verbesserung des Lebens älterer Menschen, ihren Familien und den Gesellschaften, in welchen sie leben, entwickelt und umgesetzt.

Herr Professor Kruse, an Ihrem Institut wird schon seit langen zu Altersbildern und zu „Ageism“ geforscht, also der Diskriminierung aufgrund des Alters. Was hat sich in Bezug auf Altersbilder im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten besonders durch die Corona-Pandemie verändert?

Altersbilder haben wir sowohl in nationalen als auch in internationalen Kontexten untersucht, wobei wir Interviews mit Angehörigen unterschiedlicher Generationen ebenso geführt haben wie mit Medienvertreterinnen und -vertretern sowie mit Expertinnen und Experten unterschiedlicher Gebiete der Gerontologie und der Medizin. Hinzu traten Analysen von Zeitungsartikeln in großen Tageszeitungen. Wenn ich einmal auf die Folge von Untersuchungen in den vergangenen drei Jahrzehnten blicke, dann möchte ich konstatieren: Die gesellschaftliche und auch die individuelle Sicht auf das Alter ist lange nicht mehr in dem Maße von Verletzlichkeit, Verlusten und gesellschaftlichen Belastungen bestimmt, wie dies noch vor 20, 25 Jahren der Fall war.


Warum?

Die Entwicklungsmöglichkeiten und die Ressourcen im Alter werden heute deutlich stärker zur Kenntnis genommen und artikuliert. Einen Beitrag im nationalen Kontext – ich sage ausdrücklich: einen Beitrag – bildete der Fünfte Altenbericht der Bundesregierung, der sich ausdrücklich mit den Potenzialen des Alters befasste und in meinen Augen die öffentliche – und hier auch die politische – Diskussion zu Fragen des Alters mitgeprägt hat. Ähnliches gilt für den Siebten Altenbericht, der sich mit neuen (produktiven) Sorgestrukturen in den Kommunen beschäftigt und gezeigt hat, wie groß die Initiativen sind, die hier auch von alten Menschen ausgehen.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie hat sich auch die Sicht des Alters in einer Richtung präzisiert: die Verletzlichkeit oder Verwundbarkeit bzw. Vulnerabilität vor allem des hohen Alters wurde wieder stärker in den Blick genommen. Und sie musste in den Blick genommen werden, weil ja nur zu deutlich wurde, dass die Risiken der Infektion wie auch des symptomreichen, wenn nicht sogar letalen Verlaufs im hohen Alter deutlich erhöht sind. Dass hier die Frage nach „besonderem Schutz“ alter Menschen adressiert wurde, war nur verständlich. Aber: Die Art und Weise, wie mit alten Menschen umgegangen wurde, wie diese angesprochen wurden, wie hier „Schutz“ verordnet und verwirklicht wurde – dies haben nicht wenige alte Menschen, und das völlig zu Recht, als eine Form der Demütigung erlebt.


Was hätte man tun sollen?

Hier hätte ungleich differenzierter gehandelt und argumentiert werden müssen. Man denke nur an die „Schließung“ von Pflegeheimen, die bisweilen wie eine uneinnehmbare Festung erscheinen mussten, was übrigens auch auf Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Zumutung und große Belastung erlebt wurde. Was deutlich wird: Auch gegenüber alten Menschen ist eine hochdifferenzierte, nicht nur kognitiv, sondern auch existenziell und emotional ansprechende Information und Aufklärung zu wählen, die die einzelnen Schritte genau begründet.

Und: In Phasen der Pandemie erweist sich eine umfassende Konzeption von „Gesundheitsverhalten“ als notwendig: Wo Schutz ist, muss zugleich auch Aktivierung und Teilhabe sein. Körperliche, kognitive, ästhetische, emotionale und sozialkommunikative Aktivierung erweisen sich in Phasen der Pandemie geradezu als unerlässlich, wenn einem Verlust von Ressourcen entgegengewirkt werden soll. Anders ausgedrückt: Auch in solchen Phasen zeigt sich, wie wichtig das Gesundheitsverhalten – verbunden mit und motiviert durch entsprechende Angebote – ist.


Von den Vereinten Nationen wurde jüngst das Jahrzehnt des gesunden Alterns (UN Decade of Healthy Ageing 2021 -2030) ausgerufen. Mit Unterstützung der WHO sind u. a. Maßnahmen intendiert, die unsere Denkweise und unser Handeln in Bezug auf das Alter verändern sollen. Zudem sollten die Angebote zur primären Gesundheitsversorgung altersgerecht sein und die Fähigkeiten und Ressourcen älterer Menschen gezielt gefördert werden. Woran müssen wir in Deutschland vorrangig arbeiten, damit „gesundes Altern“ möglich ist? Welche Rolle haben dabei Prävention und Gesundheitsförderung?

Ich möchte dies sehr klar beantworten: Unser Gesundheitssystem betont zu einseitig die Kuration und fängt somit im Hinblick auf die „Förderung von Gesundheit“ viel zu spät an. So wichtig und unerlässlich Kuration ist, da gibt es ja gar nichts zu deuteln, so wichtig sind die rechtzeitig betriebene Gesundheitsförderung und Prävention. Es geht eben nicht nur darum, Pathologie zu verringern, sondern es geht auch darum, gesundheitliche Ressourcen –- kognitiv, verhaltensbezogen, emotional –aufzubauen und kontinuierlich zu stärken.

Zudem geht es darum, Risikofaktoren – im Verhalten, in der Umwelt – zu erkennen und zu lindern oder ganz abzubauen. Diese Ziele sollten wir übrigens über den gesamten Lebenslauf verfolgen. Gesundheitsförderung und Prävention sind in allen Lebensphasen von größter Bedeutung.


In einer aktuellen Studie „Älter werden in Balance“ wurden sogenannte „Daseinsthemen“ definiert. Was macht das Leben im Alter lebenswert?

Es war dies eine Studie, die wir in jahrelanger, enger Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verwirklicht haben und die auch eine Grundlage dafür bildet bzw. weiterhin bilden soll, gesundheitsbezogene Botschaften in die Öffentlichkeit und dabei auch in unterschiedliche Lebenswelten zu bringen. Die Vorbereitungen zur Veröffentlichung sind nun abgeschlossen und wir vermuten, dass wir Ende des Jahres mit der entsprechenden Publikation herauskommen werden.

Ja: die Daseins- oder Lebensthemen waren für uns in dieser Studie zentral. Welches sind die zentralen Anliegen, Werte und Perspektiven, die das Erleben und Verhalten alter Menschen beeinflussen? Mit einer Stichprobe von 400 Personen können und wollen wir hier keine Repräsentativität beanspruchen, und doch eröffnen uns die Ergebnisse die Möglichkeit, den „Erlebenshintergrund und Sinnhorizont“ im Alter noch besser zu verstehen und seine Bedeutung auch für das Gesundheitsverhalten aufzuzeigen.


Worauf kommt es an?

Drei Aspekte seien hier stellvertretend angeführt. Erstens: Die Erfahrung, eine Aufgabe zu haben, kann für die Lebensbindung, für das Sinnerleben, für das Wohlbefinden alter Menschen nicht hoch genug bewertet werden. Was dabei als Aufgabe erscheint, variiert von Person zu Person erheblich. Aber die große Bedeutung des erlebten Aufgabencharakters für die innerpsychische Situation ist unumstritten. Zweitens: Viele Menschen praktizieren das, was ich eine kreative Sorge für und um andere Menschen nennen möchte. Ich möchte nicht allein Umsorgter sein, nein: ich möchte die Sorge erwidern können, mithin mein Leben in den Dienst von etwas stellen. Dieses Motiv beobachten wir übrigens auch bei vielen Menschen am Ende ihres Lebens.

In dem gerade erschienenen Buch „Vom Leben und Sterben im Alter. Wie wir das Lebensende gestalten können“ habe ich entsprechende Überlegungen und Befunde angeführt ebenso wie in dem 2017 erschienenen Buch „Lebensphase hohes Alter: Verletzlichkeit und Reife“. Drittens: Die innerpsychische Situation ist in hohem Maße belastet, wenn sich bei Menschen eine stärker oder stark ausgeprägte Pflegebedürftigkeit entwickelt, vor allem aber, wenn sich das Erleben von Einsamkeit ausbildet. Eine (unfreiwillige) Isolation und Einsamkeit, verbunden mit dem Erleben, von anderen Menschen nicht mehr gebraucht zu werden, keine Aufgabe mehr zu haben, führt vielfach zu der Überzeugung, „aus der Welt gefallen“ zu sein.


Der Achte Altersbericht der Bundesregierung „Ältere Menschen und Digitalisierung“ ist 2020 erschienen. Warum widmete sich der Altersbericht dieser Thematik und was hat Sie besonders überrascht?

Zum einen zeigt sich, dass Mobilität, Partizipation, Kommunikation, sicheres Wohnen sowie Leistungen in den Bereichen Gesundheit und Pflege heute nicht mehr an digitaler Technologie und entsprechenden Produkten vorbeigehen können. Zum anderen mehren sich die Befunde, die deutlich machen, dass – unter der Bedingung einer überzeugenden Anleitung, aber auch unter der Bedingung der Mitwirkung bei der Produktdefinition und -entwicklung – digitale Techniken von alten Menschen sehr gut und funktional in ihre Lebens- und Handlungswelt „inkorporiert“ werden können – um einmal dieses Wort zu wählen.

Schließlich durfte die Gruppe alter Menschen in der Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung nicht fehlen. Dabei durften wir uns als Kommission – die übrigens ausgezeichnet zusammengestellt war und hocheffektiv arbeitete – darüber freuen, dass wir zu jenen gehörten, die schon früh mit einem konzeptionell fundierten und praxisnahen Bericht an die Öffentlichkeit gelangt sind.


Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Für uns war in dem Bericht auch sehr wichtig, auf mögliche Risiken einer digitalen Spaltung, das heißt der Spaltung zwischen den verschiedenen Sozialschichten, hinzuweisen. Zudem haben wir darauf hingewiesen, dass ethische Fragen auch die Mitwirkung alter Menschen bei der Identifikation, der Entwicklung sowie der Anwendung von Produkten bedeutet. Zudem müssen Fragen des Datenschutzes sensibel adressiert und höchst überzeugend beantwortet werden. Und schließlich gilt: der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen, eine leibnahe Pflege, Therapie und Rehabilitation dürfen nicht durch die digitale Technik ersetzt werden; der digitalen Technik kommt hier eine – allerdings sehr bedeutende – komplementäre Funktion zu.


Auch die 20. BVPG-Statuskonferenz beschäftigt sich mit dem Thema Alter, speziell mit der psychischen Gesundheit in dieser Lebensphase. Wie wichtig ist das Thema „psychische Gesundheit im Alter“ für den Bereich Prävention und Gesundheitsförderung aus Ihrer Sicht?

Es geht bei der Betrachtung der psychischen Gesundheit im Alter zunächst darum, organische, emotionale, soziale und existenzielle Ursachen oder Einflussfaktoren von psychischen Krankheiten zu differenzieren. Diese Differenzierung ist notwendig mit Blick auf Gesundheitsförderung und Prävention.


Das heißt?

Beginnen wir mit den verschiedenen Formen der Demenz, die auf organische – vaskuläre und / oder neuronale – Ursachen zurückzuführen sind. Mittlerweile wissen wir viel über das präventive Potenzial der gezielten Aktivierung von kognitiven und körperlichen Funktionen in früheren Lebensjahren wie auch der Vermeidung oder Kontrolle von Herz-Kreislauf- sowie von Stoffwechselerkrankungen mit Blick auf unterschiedliche Demenzformen. Setzen wir fort mit den sich im Lebenslauf chronifizierenden psychischen Störungen, die eine fundierte psychotherapeutische Behandlung erforderlich machen, die gegebenenfalls im Alter noch einmal wiederholt werden muss: hier stehen emotionale Faktoren sowie Faktoren der Persönlichkeit im Zentrum.

Weiterhin sind soziale Einflüsse zu beachten, die sich auch aktuell negativ auf die psychische Gesundheit auswirken: ein im Alter besonders wichtiger Einfluss sind Isolation und Einsamkeit, auf die mit einer psychologischen Intervention ebenso geantwortet werden sollte wie mit der Schaffung natürlicher, niedrigschwelliger Begegnungsangebote in der Kommune. Zu den existenziellen Einflüssen rechne ich Sinnkrisen, die zum Beispiel aus einem hochkonfliktreichen Lebensrückblick wie auch aus der Erfahrung, keine Aufgabe mehr zu haben, erwachsen können, zudem aus der zunehmend bedeutender werdenden Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit. Hier sind nicht nur psychologische und psychotherapeutische, sondern auch hochreflektiere seelsorgerische sowie sozialkulturelle Angebote wichtig.

Der Gesundheits- wie auch der Krankheitsbegriff blieben in allen Lebensaltern unzureichend, würden sie nicht ausdrücklich die psychische Gesundheit mitbedenken. Das Gleiche gilt für Gesundheitsförderung und Prävention. Zudem halte ich eine Soziopsychosomatik, die durch eine existenzielle Dimension erweitert wird, für unerlässlich, wenn Fragen der Gesundheit und der Krankheit, der Gesundheitsförderung und Prävention erörtert werden.

Die Fragen stellten Linda Arzberger und Ulrike Meyer-Funke, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.


Lesen Sie dazu auch:

Interview zum Thema „Gesundes Altern“ mit Prof. Dr. Eva-Marie Kessler, Professorin für Gerontopsychologie an der MSB Medical School Berlin und Sprecherin der Interessengruppe „Klinische Gerontopsychologie und Psychotherapie im höheren Lebensalter“ der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. (DGPs).

Interview zum Thema „Geschlechtersensible Prävention und Gesundheitsförderungmit Prof. Dr. Sabine Oertelt-Prigione, Universität Bielefeld und Radboud Universität in Nijmegen (NL).

Mehr zu Prävention und Gesundheitsförderung in den Lebenswelten erfahren Sie hier.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Kruse | Seit 1997 Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg, Vorsitzender der Altersberichtskommission der Bundesregierung, seit 2016 Mitglied des Deutschen Ethikrates; Mitglied in weiteren internen und externen Kommissionen.

Prävention und Gesundheitsförderung - Schwerpunkt PsycheOffensive Psychische Gesundheit: #OffenheitHilft!

Im Oktober hat die Bundesregierung die Offensive Psychische Gesundheit (OPG) gestartet. Ziel der Offensive ist, die psychische Gesundheit in allen Lebensbereichen zu stärken: durch mehr Offenheit im Umgang mit psychischen Belastungen und durch frühzeitige Hilfe über eine stärkere Vernetzung der Unterstützungs- und Hilfsangebote.

Die Offensive Psychische Gesundheit (OPG) wurde von drei Ministerien ins Leben gerufen, beteiligt sind das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Gesundheit. Was ist das Besondere an der OPG aus Sicht Ihrer Institution?

Annette Schlipphak, BDP: Das Besondere an der Offensive Psychische Gesundheit ist, dass sie explizit dazu dient, dass der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Belastungen offener wird und auch die weichen Faktoren im Arbeitsalltag offen angesprochen werden. Dabei wird deutlich, dass nicht der Fokus auf die oder den Einzelnen zu einer Lösung führt, sondern ein systemischer und organisatorischer Ansatz zur Gestaltung gesunder Arbeit entscheidend ist. Damit bietet die Offensive eine Chance, nicht nur psychische Belastungen zu entstigmatisieren, sondern auch die Rahmenbedingungen von Arbeit als Einflussfaktoren auf psychische Gesundheit zu beleuchten.

Dr. Dietrich Munz, BPtK: Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt sind noch immer erheblich unterschätzt. Dabei kosten sie jährlich Milliarden Euro an Lohnfortzahlung und Krankengeld. Gerade in der Arbeitswelt gelten psychische Erkrankungen jedoch noch häufig als Leistungs- und Willensschwäche. Es fehlt ein offener und zugewandter Umgang mit psychisch belasteten Kolleginnen und Kollegen. Die Angst vor Stigmatisierung verhindert noch zu oft, dass psychische Beschwerden eingestanden werden und Hilfe in Anspruch genommen wird.

Genau hier setzt die Offensive Psychische Gesundheit an. Als breites Bündnis will sie den Umgang mit psychischen Belastungen normalisieren. Dies ist essenziell, denn Offenheit im Umgang mit psychischen Beschwerden ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Betroffene Hilfe in Anspruch nehmen. Doch dies allein reicht noch nicht aus. Grundlegend ist, dass Betroffene wissen, welche Unterstützung für sie in Betracht kommt. Hierfür braucht es eine enge und transparente Verzahnung von Hilfsangeboten, die nur dadurch entstehen kann, dass alle Player im Bereich der Prävention mit Expertinnen und Experten für psychische Gesundheit eng zusammenarbeiten. Die Offensive Psychische Gesundheit schafft diese bisher einmalige Kooperationsplattform.

Prof. Dr. Markus Bühner, DGPs: Psychische Störungen sind noch zu oft stigmatisiert, das Wissen über sie und wirksame Behandlungsformen in der Allgemeinbevölkerung ist begrenzt. Durch die gemeinsame Initiative dreier Bundesministerien kann die Bevölkerung effektiv erreicht und informiert werden. Außerdem können Behandlungsangebote und Zugangspfade besser gebündelt werden.

Die Zusammenarbeit der drei Ressorts ist aus unserer Sicht von zentraler Bedeutung, da so die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Lebensbereichen sichtbar gemacht werden. In der Praxis mangelt es häufig an der Betrachtung des gesamten Systems und wie sich Belastungen aus einem Bereich (z. B. der Arbeit) auf einen anderen auswirken (z. B. die Familie). Bedeutsam ist auch die breite Beteiligung von Akteuren des Gesundheitswesens, der Versorgung und der Wissenschaft: Dies ist ein wichtiges Zeichen, unterstreicht die Bedeutung der Thematik und wird sicher zum Erfolg der Offensive beitragen.

Prof. Dr. Bernd Röhrle, DGVT: Die Initiative ist insgesamt begrüßenswert, weil sie neben der bislang im Vordergrund stehenden physischen Gesundheit endlich der psychischen Gesundheit einen entsprechenden Stellenwert einräumt. Erfreulich ist dabei, dass nicht mehr nur an die Vermeidung psychischer Krankheiten gedacht wird, sondern auch die individuellen, kollektiven und verhältnisorientierten Risiken, aber auch die vielfältigen Formen des Wohlbefindens in ihrer Bedeutung erkannt werden.

Nicht zuletzt wird damit unausgesprochen mitgedacht, dass man dem Problem der psychischen Störungen nicht allein kurativ begegnen kann, um individuelles, kollektives Leid und auch wirtschaftliche Folgekosten in den Griff zu bekommen. Durch die salutogene Orientierung der Initiative ist zugleich ein Beitrag geleistet, der ein gesellschaftlich und individuell getragenes, respektvolles Zusammenleben fördern kann.


Warum spielt die Prävention eine entscheidende Rolle bei der Stärkung der psychischen Gesundheit – und inwiefern gerade jetzt in der Corona-Pandemie?

BDP: Psychische Gesundheit wird von vielen Faktoren beeinflusst. Durch die Pandemie werden bei vielen Menschen gewohnte Muster und Abläufe geändert: Homeschooling, Mobiles Arbeiten, Kurzarbeit, Angst vor Arbeitslosigkeit, Unsicherheit über das, was kommt. Diese Faktoren wirken sich auch auf das Verhalten am Arbeitsplatz bei Führungskräften und Beschäftigten aus. Auch unabhängig von Corona ist gesunde Arbeit im beruflichen Kontext die beste Prävention. Gerade jetzt in der Zeit der Pandemie sollte über die Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung genau analysiert werden, wo die Belastungs- und Beanspruchungsfaktoren liegen. Gute Präventionsarbeit wird letztlich dazu beitragen, dass die Menschen die Pandemie besser bewältigen können.

BPtK: Die Corona-Pandemie ist ein Paradebeispiel für das Potenzial von Präventionsmaßnahmen. Doch diese dürfen sich keinesfalls nur auf die körperliche Gesundheit beschränken. Denn die Pandemie stellt unsere Selbstheilungskräfte vor außergewöhnliche Herausforderungen. Je länger Krisen andauern, desto eher sind die psychischen Widerstands- und Regenerationskräfte überfordert und es kann zu psychischen Erkrankungen kommen.

Viele Menschen sind momentan unsicher, verängstigt und niedergeschlagen. Dies sind normale Reaktionen auf belastende Ereignisse. Doch diese Belastungen sind nicht gleich verteilt. Manche Menschen sind körperlich vorerkrankt und deshalb durch das Virus besonders gefährdet. Manche trifft die Pandemie härter, weil sie selbst oder Angehörige erkrankt sind oder weil sie beruflich ständigen Kontakt mit Erkrankten haben. Andere müssen vor allem mit dem Wegfall gewohnter Tagesstrukturen und Betreuungs- und Pflegeangebote klarkommen.

Im Moment ist es klarer denn je, dass wir langfristig für ein Leben mit dem Virus planen müssen. Um gefährdete Personengruppen vor den negativen psychischen und sozialen Konsequenzen der Pandemie zu schützen, müssen passende Schutz- und Präventionskonzepte entwickelt und flächendeckend implementiert werden.

DGPs: Wir betrachten Prävention zur Stärkung psychischer Gesundheit aus einer ganzheitlichen Perspektive. Maßnahmen sollten in allen Lebensbereichen, in beruflichen wie in privaten, ansetzen. Durch die Auswirkungen der Pandemie sind breite Bevölkerungsanteile zunehmend chronischem Stress ausgesetzt. Chronische Stressoren sind einer der wichtigsten Treiber für die Entstehung psychischer Störungen. Daher sollten wir zur Prävention psychischer Störungen in Folge der Corona-Krise zum Beispiel niederschwellige Hilfsangebote anbieten.

Dabei ist es wichtig, Familien in den Blick zu nehmen. Fünfzig Prozent aller psychischen Störungen beginnen vor dem 14. Lebensalter und 75 Prozent vor dem 24. Lebensjahr. Das heißt, es hat den bestmöglichen Effekt, wenn Belastungen frühzeitig reduziert werden. Aus der Forschung zu Familien mit psychischen Erkrankungen wissen wir, dass die transgenerationale Weitergabe psychischer Störungen ein Hauptfaktor für die Entwicklung psychischer Erkrankungen ist. Insofern ist die Unterstützung von Eltern und Familien insbesondere in Zeiten von Homeoffice, Homeschooling und von Kontakteinschränkungen von herausragender Bedeutung.

DGVT: Dass diese Offensive bewusst oder auch zufällig in Coronazeiten gestartet wird, ist umso erfreulicher, weil damit nochmals mehr verdeutlicht wird, dass sich die Gefahren für die psychische Gesundheit von vielen mit der Pandemie einhergehenden Begleitumständen und schon vorab bestandenen Risiken und kollektive Belastungen verschärfen. Damit wird einmal mehr die Bedeutung verhältnisorientierter Prävention betont. Die DGVT hat zusammen mit dem German Network for Mental Health schon im Frühjahr in einem Statement festgehalten, welche Auswirkungen die Pandemie direkt, aber auch vermittelt durch eine Vielzahl von gesellschaftlichen Kräften auf Menschen mit psychischer Erkrankung und gesunde Personen.

Inzwischen haben viele Forschungsergebnisse zu den psychischen und sozialen Folgen der Pandemie diese ersten Eindrücke bestärkt: Die Belastung vulnerabler, auch psychisch kranker Personen, aber auch die gesunder Menschen ist durch die Pandemie erheblich verstärkt. Sozial benachteiligte Personen trifft es besonders hart. Konflikte verschärfen sich, wie beispielsweise innerfamiliäre Gewalt, aber auch durch Verschwörungstheorien getragene soziale Spaltungen. Sozialpolitische Engpässe gefährden nicht nur COVID-19-Patientinnen und -Patienten, sondern auch ihre formellen und informellen Helferinnen und Helfer. Die Pandemie macht deutlich, dass sich Prävention nicht allein auf mikrosoziale Zusammenhänge konzentrieren darf, sondern einen Plan braucht, Katastrophen geordnet zu begegnen. Die Förderung der psychischen Gesundheit muss ein Teil eines entsprechend zukünftigen Rettungsplans sein.


Mit welchen Maßnahmen unterstützt Ihre Organisation als First Starter die Offensive?

BDP: Als Berufsverband vertritt der BDP Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die angestellt oder freiberuflich arbeiten. Die Offensive Psychische Gesundheit unterstützen wir von Anfang an und bringen uns mit unserer Expertise ein. Als FirstStarter legen wir den Fokus auf den Schwerpunkt gesunde Arbeit. Der BDP stellt Materialien und Handreichungen zu Arbeit und Gesundheit über die Webseite unseres Verbandes kostenfrei zur Verfügung. Zudem können über das Portal des Berufsverbandes Expertinnen und Experten für diese Themen gefunden werden.

BPtK: Als Bundeskammer vertreten wir 52.000 Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten. Es ist unser Anliegen, eine ausreichende psychotherapeutische Versorgung im kurativen, präventiven und rehabilitativen Bereich sicherzustellen. Deswegen bemühen wir uns seit jeher um Kooperationen mit unterschiedlichen Beteiligten in diesen Bereichen, um auf eine Stärkung der psychischen Gesundheit – ein zentrales Ziel der BPtK – hinzuwirken.

Als First Starter unterstützen wir die Offensive Psychische Gesundheit von Anfang an. Wir tragen die Botschaft der Offensive aktiv mit und beteiligen uns an ihrer fachlichen Konzeption und Umsetzung. In die Fachdialoge der Offensive Psychische Gesundheit bringen wir unsere Fachexpertise zum Umgang mit psychisch belasteten und erkrankten Menschen ein. Essenziell ist es für uns, die Gesellschaft für psychische Belastungen und Erkrankungen zu sensibilisieren und einen frühzeitigen und niedrigschwelligen Zugang zu Unterstützungsangeboten zu gewährleisten. Hierfür machen wir uns seit Jahren stark.

DGPs: Die DGPs vertritt Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die in akademischen Berufen arbeiten. Hierzu zählen auch die universitären Hochschulambulanzen, die jährlich mehr als 50.000 Patientinnen und Patienten ambulant psychotherapeutisch versorgen. Unsere Einrichtungen leisten damit einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung und Evaluation innovativer Psychotherapien, aber auch zur Patientenversorgung.

Sehr gerne bringen wir unsere klinische und wissenschaftliche Kompetenz in die Offensive ein. Auch auf dem Gebiet der Gestaltung und Evaluation von Präventionskampagnen bringen wir unsere Expertise mit ein. Die DGPs hat gleich zu Beginn der Pandemie gemeinsam mit ihren Mitgliedern eine Website zur psychologischen Coronahilfe erstellt. Diese Seite bietet für die Zielgruppen Kinder, Jugendliche, Familien, Erwachsene und Personen im Versorgungssystem Hilfestellungen. Im Rahmen dieser Initiative wurde auch das Projekt „Familien unter Druck“ entwickelt für das Franziska Giffey die Schirmherrschaft übernommen hat und das Teil der Offensive ist. In kurzen animierten Trickfilmen, deren Charakteren Prominente ihre Stimme geliehen haben, werden evidenzbasierte Tipps zum Umgang mit Belastungen gezeigt.


Was erhoffen Sie sich aus der Arbeit der Offensive – auch in Hinblick auf die Corona-Pandemie?

DGVT: Begrüßenswert ist die durch die Offensive vorgeschlagene Liste von präventiv bedeutsamen Hilfemöglichkeiten. Angesprochen wird dabei vornehmlich die berufliche und familiäre Welt. Nicht thematisiert werden allerdings andere gesellschaftliche Bereiche und Institutionen, wie die Welt der Ausbildung, der sozialen Netzwerke, Selbsthilfegruppen (mit Ausnahme der Betroffenenorganisationen), von Verbänden und Parteien.

Sich auf Beratungsangebote zu konzentrieren, kann nicht genügen, da in diesem Bereich der kurative Anteil überwiegt und wenig Platz für präventive Angebote bleibt. Für eine Vielzahl von kritischen Lebensereignissen gibt es in den Beratungsstellen und darüber hinaus zu wenig präventiv bedeutsame Angebote, wie z. B. für Kinder psychisch kranker Eltern. In gleichem Maße fehlt es auch an störungsspezifischen Angeboten wie beispielsweise Hilfen für Menschen, die zu Angststörungen, Depression, Essstörungen, Psychosen etc. neigen. Hier ist eine Verbesserung dringend erforderlich.


Die Fragen stellte Linda Arzberger, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung.

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Prävention und Gesundheitsförderung – Schwerpunkt Health in All Policies, Interview mit Prof. Dr. Ilona Kickbusch.

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Annette Schlipphak | Vizepräsidentin des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.; Personalentwicklung; Betriebliches Gesundheitsmanagement; Coaching; Arbeitsschwerpunkte: Gesundheit und Arbeit, Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung; Diplom-Psychologin.

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) vertritt die beruflichen Interessen der niedergelassenen, selbstständigen und angestellten/beamteten Psychologinnen und Psychologen aus allen Tätigkeitsbereichen. Als anerkannter Berufs- und Fachverband ist der BDP Ansprechpartner und Informant für Politik, Medien und Öffentlichkeit in allen Fragen der beruflichen Anwendung von Psychologie und Psychotherapie.

Dr. rer. nat. Ernst Dietrich Munz | Präsident des Vorstandes der Bundespsychotherapeutenkammer; Präsident der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg; Diplom-Psychologe, Diplom-Physiker, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalyse; Psychotherapeut an der Sonnenberg Klinik gGmbH in Stuttgart; Dozent am Psychoanalytischen Institut Stuttgart e.V.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ist die berufspolitische Vertretung der momentan rund 52.000 Psychologischen Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen in Deutschland. Als diese ist es ihr Anliegen, eine ausreichende psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung im kurativen, präventiven und rehabilitativen Bereich sicherzustellen.

Prof. Dr. Markus Bühner | Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie; seit 2011 Lehrstuhlinhaber der Professur für Psychologische Methodenlehre und Diagnostik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Er forscht zur Vorhersage von Persönlichkeitseigenschaften durch mobile Daten, zur Vorhersage von Ausbildungs- und Berufserfolg durch Persönlichkeitstests, Leistungstests, Assessment-Center-Übungen und strukturierten Interviews sowie Auswirkungen der Fragenformulierung auf psychometrische Eigenschaften eines Fragebogens.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie e.V. (DGPs) ist die Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologinnen und Psychologen. Die über 4.800 Mitglieder der DGPs erforschen das Erleben und Verhalten des Menschen. Sie publizieren, lehren und beziehen Stellung in der Welt der Universitäten, in der Forschung, der Politik und im Alltag.

Prof. Dr. Bernd Röhrle | Professor für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Gemeindepsychologie i.R., Supervisor, Psychotherapeut, Leiter des German Network for Mental Health (GNMH), Schwerpunkt seiner politischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten: Prävention psychischer Störung und Förderung psychischer Gesundheit.

Die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. (DGVT) ist mit rund 9.880 Mitgliedern der größte verhaltenstherapeutische Fachverband in Europa. Seit 1968 tritt die DGVT für eine bedarfsgerechte psychosoziale und psychotherapeutische Versorgung ein. Zum DGVT-Verbund gehört die DGVT-AusbildungsAkademie, der DGVT-Berufsverband Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e.V., die DGVT- Fort- und Weiterbildung und der DGVT-Verlag.

Prävention und Gesundheitsförderung - Schwerpunkt COVID-19„Die Schule ist ein Schlüsselbereich für präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen“

Wochenlanges Homeschooling, strenge Kontaktbeschränkungen, völlig neue Tagesstrukturen. Welche gesundheitsfördernden Maßnahmen haben sich in der Krise als wirksam erwiesen haben, erklärt Professor Dr. Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) und langjähriges BVPG-Vorstandsmitglied.

Herr Professor Hanewinkel, welche Auswirkungen hatte das Homeschooling auf die Familien?

In den Familien waren oftmals die Mütter stärker belastet als die Väter. Eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durch das Marktforschungsinstitut Forsa im Auftrag der DAK-Gesundheit, in der Anfang Mai 2020 über 1.000 Elternteile und jeweils ein zugehöriges Kind im Alter von zehn bis 17 Jahren befragt wurden, ergab folgende, beunruhigende Ergebnisse: Etwa 90 Prozent der Eltern waren wegen der Auswirkungen der Krise besorgt. Fast jedes zweite Elternteil fühlte sich oft oder sehr oft gestresst. In jeder vierten Familie gab es Streit. Etwa die Hälfte der Eltern fühlte sich während der Schulschließung fast täglich erschöpft. Jeweils etwa drei von zehn Befragten berichteten von psychosomatischen Beschwerden wie Schlafproblemen oder Schmerzen. Mütter berichten häufiger von fast täglichen Bauch-, Rücken- oder Kopfschmerzen. Auch von Traurigkeit sind sie in der Zeit des Lockdowns stärker betroffen als Väter.

Aber auch bei Kindern und Jugendlichen machte sich der Lockdown bemerkbar, vor allem bei jüngeren Kindern: Vier von zehn Elternteilen nahmen in der Befragung bei ihren Zehn- bis Zwölfjährigen ein verringertes Wohlbefinden im Lockdown wahr. 37 Prozent der jüngeren Kinder berichten selbst von häufigen Stresserfahrungen und 27 Prozent von Traurigkeit.


Welche Bevölkerungsgruppen sind besonders betroffen?

Die „COPSY“-Studie des Universitätskrankenhauses Eppendorf hat aufgezeigt, dass von den psychischen Belastungen vor allem Kinder aus sozial schwächeren Familien betroffen sind. Es zeigte sich in dieser Studie, dass ein geringes Einkommen der Eltern und beengter Wohnraum das Auftreten psychischer Auffälligkeiten bei Kindern während des Lockdowns förderten. Um ein Beispiel zu bringen: Einer Familie bestehend aus einer alleinerziehenden Mutter, einem Kindergartenkind und einem schulpflichtigen Kind im Grundschulalter, die in einer kleinen 2,5-Zimmer-Etagenwohnung ohne Balkon leben müssen, hat der Lockdown einiges abverlangt. Die Situation wurde zusätzlich dadurch verschärft, dass das gesamte Hilfesystem, das den Menschen ja gerade in Krisenzeiten Unterstützung bieten soll, ebenfalls vom Lockdown betroffen war. Das hat z. B. Beratungsstellen, Sozialarbeit, Tagestreffs usw. vor große Probleme gestellt.


Wo können Prävention und Gesundheitsförderung ansetzen? Welche Maßnahmen haben sich als wirksam erwiesen?

Mangelnde Rückzugsmöglichkeiten und fehlende Tagesstruktur können besonders in Krisenzeiten wie dem Lockdown zu Streit und Konflikten innerhalb der Familien führen. Eine geregelte Tagesstruktur mit Arbeits-, Freizeit-, aber auch Schlafenszeiten können nicht nur dazu beitragen, Konflikte innerhalb der Familien zu vermeiden, sondern tragen auch zu einem erhöhten Wohlbefinden bei.


Welche Rolle kommt der Bewegungsförderung zu?

„Der Junge muss an die frische Luft“ ist der Titel der Autobiographie von Hape Kerkeling. In dieser Aussage steckt viel Wahrheit. Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt auf, dass sportliche Aktivitäten einen präventiven Effekt im Hinblick auf das Auftreten von Depressionen und Ängsten haben können. Insbesondere Kinder und Jugendliche haben einen „natürlichen“ Bewegungsdrang, der bei jüngeren Kindern ausgeprägter ist als bei älteren Heranwachsenden. Dieser sollte nicht unterbunden werden. Zur Zeit des Lockdowns war dies natürlich nicht ganz einfach, da auch die Sportvereine und Fitnesscenter geschlossen waren und auch der tägliche Weg zur Schule, hoffentlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad, nicht stattfand. Daher musste teilweise auf Indoor-Aktivitäten ausgewichen werden, wobei Apps und Videokanäle durchaus unterstützend genutzt wurden.


… und welche Rolle spielt die Ernährung?

Eine gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüsen, Salaten, Vollkornprodukten, magerem Fleisch und vorzugsweise Fisch und eine reichliche, zuckerfreie Flüssigkeitsaufnahme haben nicht nur viele positive Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit. Wer sich gesund ernährt, fühlt sich besser, steigert sein Wohlbefinden und seine psychische Stabilität.


Welche Lehren können wir aus dem Lockdown ziehen?

Der Lockdown war für uns alle neu und potentiell angstauslösend. Generell gilt, dass angstauslösende Situationen unser Bindungssystem aktiviert: Wir suchen die Nähe vertrauter Personen, bei denen wir Geborgenheit erlebt haben. Wenn gleichzeitig soziale Kontakte zur Durchbrechung von Ansteckungsketten auf ein Minimum reduziert oder ganz unterbunden werden wie im Lockdown, liegt hier wahrscheinlich die größte Herausforderung. Bei Kindern, insbesondere Kleinkindern kommt noch hinzu: Kinder brauchen unbedingt Kinder. Andere Kinder sind vor allem im Kindergarten- und Grundschulalter wichtige Partner, um Sozialverhalten zu erlernen und Problemlöse-Fähigkeiten zu erwerben. Persönliche Kontakte sind hier unerlässlich.

Für ältere Kinder und Jugendliche ergeben sich durchaus Chancen durch die Nutzung moderner Medien. Ich habe selbst bei meiner 14-jährigen Tochter beobachtet, wie hilfreich WhatsApp und Co. für das Aufrechterhalten von sozialen Kontakten im Klassen- und Freundeskreis sein können. Aber auch hier gilt: Klare Regeln zum Umgang mit dem Handy sind hilfreich, um ein Ausufern erst gar nicht aufkommen zu lassen.


Durch die COVID-19-Pandemie können auch neue Chancen erwachsen. Wo sehen Sie diese für die Prävention und Gesundheitsförderung im Setting „Schule“, insbesondere im Handlungsfeld „psychische Gesundheit“?

Die Schule ist seit jeher ein Schlüsselbereich für präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen – insbesondere, weil dort im Prinzip alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden. Leider konnte sich die Gesundheitsförderung und Prävention bisher nicht an vielen Schulen neben Deutsch oder Erdkunde als Unterrichtsfach etablieren, sondern bestenfalls Nischenplätze besetzen. Hier könnte sich die COVID-19-Pandemie in der Tat als Chance für die Prävention und die Gesundheitsförderung entpuppen. Eine Krise – als ein Wendepunkt verstanden – lässt eben auch Neues entstehen.

Menschen können Krisen umso konstruktiver bewältigen, je stabiler ihr „psychisches Fundament“ ist. Wie wichtig dieses Fundament ist, zeigt uns die derzeitige Situation. Mithilfe gezielter Programme zur Lebenskompetenzförderung, Resilienz und psychischen Gesundheit kann eine Schule sich am Bau dieses Fundaments beteiligen.


Was hieße das konkret?

Die Chance zu nutzen hieße also, die Schule zukünftig stärker in ihrer Bedeutung für das physische, soziale und psychische Wohlbefinden ihrer Beteiligten zu betrachten. Und zwar sowohl „schulintern“ von Lehrkräften, Eltern und Schülerschaft als auch in der gesellschaftlichen Erwartungshaltung an die Schule. 

Ob die Verarbeitung der Corona-Krise gelingt, hängt auch davon ab, wie die Schule mit dem Erlebten umgeht. Hier sollte nicht einfach ein „Schlussstrich“ gezogen werden, sondern Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Erfahrungen angemessen zu reflektieren, um dann zu bewerten, was davon für die Zukunft Bedeutung haben soll.


Welche Empfehlungen haben Sie für Kinder und Jugendliche zum Start in das neue Schuljahr?

Da muss man natürlich nach Alter differenzieren. Insgesamt erfahren die Schülerinnen und Schüler durch den Online-Unterricht auch ein neues Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung für den eigenen Lernprozess. Das ist durchaus positiv. Zu welchen Uhrzeiten möchte ich heute zu Hause lernen? Welche Tools möchte ich dafür nutzen? Wie teile ich mir die Aufgaben ein? Wenn die neue Eigenverantwortung keine Überforderung darstellt, kann sie auch Spaß machen!

Allgemein kann man sagen, dass Kinder und Jugendliche statt der „social distance“ lieber eine „physical distance“ halten sollten. Also: „Nutzt die digitalen Möglichkeiten, um mit euren Freunden und Freundinnen aus der Schule, dem Sportverein und den anderen Gruppen, in denen ihr euch bewegt, in Kontakt zu bleiben.“ Freundschaft zu erfahren, ist für die psychische Gesundheit ein wichtiger Faktor. Aber vor dem Hintergrund der gestiegenen Mediennutzungszeiten von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie lautet die zweite Empfehlung: „Habt eure Medienzeiten im Blick und bestimmt feste Zeiten, in denen ihr Offline seid. Körper und Geist brauchen Bewegung und – medienfreie – Entspannung.“


Die Fragen stellte Ulrike Meyer-Funke, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.

Lesen Sie dazu auch:

Prävention und Gesundheitsförderung – Schwerpunkt COVID-19: Interview mit Dr. Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung bei der Weltgesundheitsorganisation.

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Prof. Dr. Reiner Hanewinkel | Medizinpsychologe; psychologischer Psychotherapeut; apl. Professor für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Universität Kiel; Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord); Mitbegründer des Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR); Mitglied des wissenschaftlichen Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen; ehemaliges BVPG-Vorstandsmitglied.